Aerosoft-CEO Winfried Diekmann: "Das funktioniert!“

2019 ist für Aerosoft ein besonders spannendes Jahr: Der Publisher aus Büren/Nordrhein-Westfalen debütiert mit mehreren Titeln im Konsolengeschäft. Wir sprachen mit Geschäftsführer Winfried Diekmann über Herausforderungen bei der Portierung, neue Nischen und die Bedeutung des stationären Handels.
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IGM: Herr Diekmann, wie laufen die Geschäfte?

Winfried Diekmann: Sehr gut. Im Simulator-Markt haben wir den Vorteil, einige Longseller zu haben, die teilweise auch Top-Seller waren. Man ist also nicht ganz so stark darauf angewiesen, jedes Quartal ein neues Highlight herauszubringen. Von daher haben wir ein sehr gutes Grundrauschen.

IGM: Welche Titel erzeugen dieses "Grundrauschen"?

Diekmann: Wir hatten in 2018 nur zwei komplett neue Spiele als Release: den Polizeihubschrauber Simulator und den Tourist Bus Simulator. Das Grundrauschen sind unsere Bus-Simulatoren samt Add-ons. Dazu kommt der ganze große Bereich rund um X-Plane mit seinen Add-ons – und der Bereich Flugsimulator-Add-ons mit Hardware. Aber auch alte Titel laufen noch relativ stabil, zum Beispiel der Autobahnpolizei Simulator und natürlich Notruf 112 – Die Feuerwehr Simulation.

IGM: Gleichwohl haben Sie für 2019 einige neue Titel angekündigt. Was erwartet uns da?

Diekmann: Ich nenne jetzt erstmal die Titel bis zur gamescom – weil ich versprochen habe, nicht mehr so viel zu lügen (lacht). Geplant ist als erster Titel Rescue HQ. Der soll im Mai kommen und ist unser erster Tycoon-Titel. Grundsätzlich ist es so: Wir haben nicht vor, das Thema "Tycoon" massiv zu unserem zu machen. Allerdings bildet der Rescue HQ die Einsatzleitzentrale einer Stadt ab, wo es natürlich auch stark um Feuerwehr, Polizei und Rettungsdienste geht. Das sind Themen, die wir auch im Bereich "Hardcore-Simulation" abhandeln. Von daher sehen wir da eine sehr gute Synergie mit unseren bereits vorhandenen Titeln.

IGM: Was kommt dann als Nächstes?

Diekmann: Als Nächstes ist dann der Zusi geplant – der Zug Simulator 3 in der Aerosoft Edition. Das ist ein Titel, den es – wie der Name schon sagt – bereits in der Version 1 und 2 gab. Diese Versionen führten ein ziemliches Nischendasein, waren nie im Handel und lagen immer in der Direktvermarktung des Entwicklers. Der Zusi ist ein um den Trainingsbereich abgestecktes Produkt aus der professionellen Simulation.

IGM: Der Zusi 3 wurde in der Hobby-Version bereits 2016 fertiggestellt. Was sind die Unterschiede zur Aerosoft-Version?

Diekmann: Die Hobby-Version gab es nur beim Entwickler, direkt auf USB-Stick. Die Version, die in den Handel kommt, zielt dagegen in die Breite. Außerdem haben wir eine unserer Strecken aus dem Train Simulator in den Zusi integriert – auch um zu testen, wie weit man da grafisch gehen kann.

 

Testen, wie weit man da grafisch gehen kann

 

IGM: Lässt sich der Zusi-3-Release schon auf einen Monat eingrenzen?

Diekmann: Wir planen derzeit einen Release Anfang Juni.

IGM: Mit welchen Titeln geht es dann weiter?

Diekmann: Mit dem Truck & Logistics Simulator. Wir gehen davon aus, dass er für die Switch schon in Q2 als Download kommt. Bei der Boxed Version ist der Termin noch nicht ganz klar. Unsere Titel für Q3 präsentieren wir alle auf der gamescom. Da wäre zunächst einmal die Version 2 von Notruf 112. Darin geht es auch wieder um die Wache Mülheim, hinzu kommt aber der Bereich "Freiwillige Feuerwehr". Es wird deutlich mehr Brände geben und eine verbesserte KI. Darüber hinaus veröffentlichen wir unseren Truck-Simulator On the Road auf PC, PS4 und Xbox One.

IGM: Außerdem haben Sie den Bus Mechanic Simulator angekündigt...

Diekmann: Genau. Auch den zeigen wir voraussichtlich auf der gamescom. Das ist ein Projekt von André Bürger von VIS Games. Die haben im Simulationsbereich schon eine ganze Reihe von Spielen produziert. Den Bus Mechanic Simulator produzieren sie zusammen mit einem der bekanntesten Entwickler für OMSI, Darius Bode, der auch selbst Busfahrer in Hamburg ist. Sie haben gesagt: "Es gibt eine große Community, der es um physikalische und funktionale Korrektheit bei Bussen geht. Warum soll man die Dinger dann  nicht auch einmal von innen betrachten, auseinandernehmen und reparieren können?" Es wird also wirklich am Bus geschraubt. Motor, Technik, Elektrik, Klima, Reifen, Bremsen etc. sind originalgetrau vorhanden. Es gibt eine kleine Teststrecke, auf der man den Bus auch fahren kann. Das ist etwas für die Schrauber unter den Simulator-Fans.

IGM: Mit einigen der genannten Titel steigen Sie nun auch ins Konsolengeschäft ein. Warum erst 2019?

Diekmann: Eigentlich sollte der erste Konsolentitel schon 2018 erscheinen, nämlich der Autobahnpolizei Simulator. Das hat aber einfach zeitlich nicht gepasst, der kommt dann erst im Lauf dieses Jahres. Den nehmen wir als ersten Titel für die Konsolen, weil es ja die PC-Version als Grundlage schon gibt. Dass wir aber überhaupt erst jetzt ins Konsolengeschäft einsteigen, hat zwei Gründe: Zum einen laufen Titel wie OMSI oder auch die Flug- und Eisenbahnsimulationen auf eigenen Engines und sind nicht so einfach auf Konsolen portierbar. Zum anderen lassen sich Titel wie Notruf, Fernbus oder Tourist Bus derzeit nur mit massiven Qualitätseinbußen auf Konsolen portieren. Das heißt, wir hätten dann entweder eine deutlich schlechtere Performance oder müssten Dinge weglassen, weil die Titel einfach zu komplex für Konsolen sind.

IGM: Die größte Herausforderung bei der Portierung liegt also in der Zuweisung von Rechen-Power?

Diekmann: Genau, wir dürfen die Konsole nicht überreizen. Das Spiel muss auch flüssig und problemlos laufen. Man könnte natürlich ein bisschen abspecken, aber dann sind die Kunden sauer und sagen: "Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich auf der Konsole das gleiche Spielerlebnis habe wie auf dem PC." Deswegen gehen wir nur mit den Titeln auf die Konsole, die wir wirklich 1:1 vom PC portieren können.

 

Wir dürfen die Konsolen nicht überreizen

 

IGM: Lässt sich die PC-Steuerung mit Mouse und Tastatur gut auf Konsolen abbilden?

Diekmann: Mouse und Tastatur sind für unsere Spiele immer die schlechteste Lösung. Sinn machen sie nur bei einem Tycoon-Game wie Rescue HQ. Aber alle anderen Titel sind ja Spiele, in denen ich etwas fahren muss. Und dafür sind Tastatur und Mouse einfach nicht gut geeignet. Da bin ich mit einem Gamepad oder Lenkrad besser bedient – sowohl auf dem PC als auch auf der Konsole.

IGM: Ihre neuen Titel erscheinen vorwiegend auf PS4 und Switch. Gibt es bei den Konsolen Prioritäten?

Diekmann: Nein, gar nicht. Mit der Switch wollen wir herausfinden, ob wir mit Simulationen auch ein jüngeres Publikum erreichen können – ich rede da von 9- bis 14-Jährigen. Wenn das nicht wirklich funktioniert, sagen vielleicht zumindest ihre Väter: "Wir haben ja ohnehin eine Switch. Da kann ich meinen Truck Simulator gemütlich am Fernseher im Wohnzimmer spielen und muss dazu nicht ins Büro an den PC gehen." Es ist also ein Test für uns – einfach, um herauszufinden: Wen erreichen wir? Wie viele Leute erreichen wir? Lohnt sich das Ganze überhaupt? Und wenn ja: Bringt es uns neue Zielgruppen? Gibt es Synergieeffekte?

IGM: On the Road erscheint als einziger 2019er-Titel auch für die Xbox One. Warum für die anderen nicht?

Diekmann: On the Road ist der einzige Titel, den auch Publisher und Distributoren in den USA interessant finden. Und dort ist die Xbox einfach noch etwas stärker als in Europa.

IGM: Gibt es überhaupt noch genügend neue Simulationsnischen, die Sie beackern können?

Diekmann: Grundsätzlich sind wir ja kreativ. Wir versuchen Nischen zu finden, allerdings auch nicht auf Teufel komm raus. Es gab ja mal eine Flut von Simulatoren – Straßenreinigung, Müllabfuhr und was nicht alles. Da hatte man das Gefühl: Es wird jetzt wirklich alles simuliert. Das ist nicht unser Ziel. Wir versuchen, immer mal wieder Genres zu testen, die langfristig Erfolg versprechen. Das heißt: Eigentliches Ziel ist es, eine Simulation zu produzieren, drumherum eine Community zu bilden und dann durch Modding und andere Faktoren den Spielern zu ermöglichen, die Simulation auszubauen.

IGM: Welche besonders wichtigen Add-ons sind für dieses Jahr geplant?

Diekmann: In der Flugsimulation planen wir derzeit etwa 15 Produkte für den Prepar3D von Lockheed. Außerdem werden wir etwa zehn eigene Add-ons für X-Plane herausbringen. Es werden auch noch ein, zwei Add-ons für den Aerofly FS kommen. Das Highlight wird der Aerosoft A330 sein, der dann auch ein connected flightdeck bekommt. Das heißt, ich kann mich mit einem zweiten Piloten irgendwo auf der Welt vernetzen und das Cockpit als Pilot und Co-Pilot aufteilen. Das ist vor allem für Newcomer toll, die noch nie einen Airbus geflogen haben und auch nicht das 400 Seiten starke Handbuch lesen oder das vierstündige Tutorial auf YouTube anschauen wollen. Sie können dann auf Community-Seiten oder auf unserer Seite nachschauen, wer sich connecten möchte. Wenn er jemanden findet, der von A nach B fliegt und ihn mitnimmt, kann er als Co-Pilot dabei natürlich viele Sachen live erleben und beobachten: Wie fliege ich einen Airbus? Wie programmiere ich einen Flight Management Computer? Wie lande ich, wie starte ich? Und diese ganzen Verfahren. Das wird sicherlich ein Highlight in der Flugsimulation sein, das ist dann auch ein relativ teures Produkt im Bereich 60 Euro. Aber bei extrem aufwendigen Produktionen ist das nicht anders möglich.

IGM: Bei den Flugsimulatoren wird also jede Menge geboten. Wie sieht es in den anderen Bereichen aus?

Diekmann: Es wird noch eine neue Version des Strohbergung-Add-ons für den Landwirtschafts-Simulator geben. Das Add-On wurde an den LWS 19 angepasst, bei dem auch einige Maschinen und Funktionalitäten erneuert werden. Das Add-on kommt aber erst im zweiten Halbjahr. Außerdem wird es für den OMSI 2 drei deutsche Städte geben – München, Köln und Düsseldorf. Nach der derzeitigen Planung kommen die noch im ersten Halbjahr. Eventuell wird es sogar noch zwei weitere Städte geben, die aber noch nicht spruchreif sind. Und wir werden noch einen holländischen Bus – den VDL – für den Fernbus und Tourist Bus Simulator auf den Markt bringen. Das sind die Add-ons, die wir bislang planen. Bei Add-ons sind die Produktionszeiten aber vergleichsweise kurz, deshalb kann im dritten und vierten Quartal durchaus noch das eine oder andere hinzukommen.

IGM: Sind die genannten Add-ons dann auch im stationären Handel verfügbar?

Diekmann: Die Add-ons, die ich jetzt erwähnt habe, werden voraussichtlich alle auch im stationären Handel verfügbar sein. Das heißt, sowohl OMSI-Add-ons als auch der Aerosoft A330 und die Strohbergung. Stationär macht das noch Sinn, gerade im deutschsprachigen Raum. Aber auch in Benelux sind wir damit immer noch im Handel verfügbar.

 

Bringt es uns neue Zielgruppen?

 

IGM: Wie wichtig ist der stationäre Handel für Aerosoft?

Diekmann: Der ist überraschend wichtig (lacht). Ich habe gerade eben nochmal nachgeschaut: Ein Titel wie Notruf 112 – die erste Version – hat im deutschsprachigen Markt stationär über 60 Prozent Anteil. Auf die Gesamtheit gerechnet – also weltweit – sind es immer noch um die 50 Prozent. Auch bei anderen Titeln wie dem Autobahnpolizei Simulator, der ja nun auch schon lange auf dem Markt ist, liegen wir stationär zwischen 40 und 50 Prozent. Bus- und Flugsimulatoren sind etwas internationaler ausgerichtet, besonders auf den US-Markt, wo es kaum stationären Handel gibt. Da liegt man dann so bei 30 bis 40 Prozent.

IGM: Wie erklären Sie sich diese hohen Prozentzahlen, gerade in Europa?

Diekmann: Man muss zwei Dinge berücksichtigen. Zum einen ist die Käufergruppe deutlich älter als bei herkömmlichen Spielen. Wir haben in der Simulation häufig ein Durchschnittsalter von 40 bis 50 Jahren. Das heißt, wir haben einen großen Anteil von Kunden, die über 40 Jahre alt sind, die nicht ganz so online-affin sind und die es auch gerne bequem haben. Vor einigen Jahren hat MediaMarkt Simulationen als eigenes Genre in den Läden eingeführt. Seit ein bis zwei Jahren macht das auch Müller. Über diesen Verkaufsbereichen steht dann "Simulation". Da konnte man deutlich sehen, dass die Verkäufe nach oben gingen. Das ist einfach ein Service, den der Kunde wertschätzt. Wenn ich "Simulation" auf Amazon eingebe, bekomme ich einen unüberschaubaren Haufen von Spielen. Ich muss schon sehr genau wissen, was ich haben will, damit ich es finde. In den Märkten habe ich auf einem Regalmeter vielleicht 80 Spiele, die ich gut überblicken und schnell durchsuchen kann – und wo ich mich auch inspirieren lassen kann. Wo ich also sage: ‚Oh, das sieht gut aus, ich lese mir jetzt auch schnell mal die Rückseite der Verpackung durch.' Das ist meines Erachtens die Zukunft des stationären Handels.

IGM: Die Verlagerung in den Online-Handel ist also ein Irrweg?

Diekmann: Dieses Hinterherlaufen, dieses "Wir wollen jetzt auch online sein", ist ein Me-too und hat noch nie geklappt. Jeder, der sich in der Wirtschaft auskennt, weiß: Das funktioniert nicht. Wohl aber, wenn man sagt: Wir können das, wir haben ein Genre – und wenn du Simulationsfan bist, dann komm zu uns. Das funktioniert ja in anderen Bereichen auch, zum Beispiel bei Kaffeemaschinen. Wenn ich eine Auswahl anbiete und die Leute in den Laden kommen, weil sie das online nicht finden. Und wenn ich jetzt auch noch dafür sorge, dass die Preise online nicht vollkommen zerrissen werden. Das ist Sache des Handels, da muss der Großhandel mitspielen, dass man den Markt auch da ein bisschen sauber hält – dann ist der stationäre Handel auch in keiner Weise benachteiligt. Und der Kunde hat noch ein Einkaufserlebnis, was sicherlich schöner ist, als ein Paket zu bekommen. Das funktioniert! (Achim Fehrenbach)

IGM 05/19